Presseschau

Die Coacherei in der Presse.

Coaching auf dem Steg

Die Coacherei in der Süddeutschen Zeitung vom 23.9.2022.

Daniela Häusele auf dem Steg

„Die Eltern merken, wenn ihre Kinder leiden. Und dass sie mit Trösten und Verstehen nicht weiterkommen.“

„Kinder machen nie absichtlich Probleme“

Daniela Häusele aus Herrsching coacht Kinder und Jugendliche, meist leiden diese unter Stress. Ein Gespräch über zunehmenden Leistungsdruck und darüber, wie Familien Problemen vorbeugen können

Herrsching – Als junge Mutter hätte Daniela Häusele sich ihr heutiges Ich zur Seite gewünscht. Denn natürlich sei auch sie in schwierigen Situationen mit ihren vier Kindern mitunter ratlos gewesen. Als Kinder- und Jugendcoach, systemische Pädagogin, Mediatorin und Schulsozialarbeiterin an einer Grundschule kennt die 55-Jährige inzwischen zahlreiche Methoden, Familien zu unterstützen. Vor einem halben Jahr hat sie sich mit der „Coacherei“ in Herrsching selbständig gemacht. Seit dem Schulstart vergangene Wochen steht bei ihr das Telefon nicht mehr still.

SZ: Mit welchen Sorgen und Problemen wenden sich Eltern an Sie?

Daniela Häusele: Da ist eine große Hilflosigkeit und Unsicherheit. Kinder haben Sorge, nicht leisten zu können, was von ihnen erwartet wird. Sie fragen sich, wie sie das schaffen sollen und ob und wie sie Freunde finden werden. Die neuen Eindrücke sind oft überwältigend und die Kinder überfordert von der Situation.

Aber offenbar nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern.

Die Eltern merken, wenn ihre Kinder leiden. Und dass sie mit Trösten und Verstehen nicht weiterkommen.

Was glauben Sie: Hat der Druck auf die Kinder zugenommen – oder können Familien schlechter damit umgehen?

Es ist einfach Fakt, dass aktuell in unserer Gesellschaft viel passiert, wir alle unter einer Art Dauerstress stehen. Auch Kinder haben das Gefühl, nichts verpassen zu dürfen. Und das muss ja alles verarbeitet werden. Ich würde positiv sagen, dass Eltern da heute genauer hinschauen.

Wissen Eltern sich wirklich keinen Rat mehr oder passt ein Coach einfach gut zum grundsätzlich beliebten Auslagern von Problemen?

Ich nehme es nicht als Auslagern wahr, eher als: Hier braucht es Unterstützung, die ich im Moment nicht leisten kann. Eltern kommen manchmal einfach nicht weiter, das kennen wir doch alle. Zudem sind Vater und Mutter als Teil des Systems Familie manchmal gar nicht in der Rolle, Dinge anzusprechen und aufzulösen. Weil sie nicht nur Teil der Lösung, sondern auch Teil des Problems sind.

Mal ganz konkret: Was hören Sie von den Kindern und Jugendlichen in Ihrem Praxisraum?

„Ich bin genervt von den Hausaufgaben.“ „Ich kann nicht einschlafen.“ „Es ist so stressig.“ Oder „Meine Mitschüler ärgern mich.“ Die Älteren haben nach den Pandemiejahren Sorge, zu viel Stoff verpasst zu haben. Sie wissen nicht, wie sie das alles schaffen sollen. Es kommen dann häufig tiefer liegende Überzeugungen zum Vorschein, wie: Ich bin nicht gut genug.

Verlangen wir zu viel von unseren Kindern?

Eine gewisse Herausforderung braucht es ja. Doch wir sind uns meist gar nicht bewusst, dass der Druck auf den Kindern lastet. Wir sprechen ja auch nicht darüber, wie es uns geht und was uns belastet. So können sich zum Beispiel unbewusst geäußerte Kommentare bei den Kindern und Jugendlichen festsetzen, etwa was das Aussehen oder was schulische Leistungen betrifft. Und das bleibt dann erst mal in den Köpfen sitzen, denn mit wem sollten die Kinder und Jugendlichen darüber sprechen?

Was raten Sie Familien, um dem vorzubeugen?

Eine Kultur in der Familie zu pflegen, in der jeder auch sagen darf, was ihm nicht gefallen hat, ist wichtig. Zu hinterfragen, wie es jedem Einzelnen in diesem Miteinander geht. Zentral ist dabei zu vermitteln, dass Fehler sein dürfen – in diesem Wort steckt schließlich auch das Wort Helfer. Kinder sollten nicht das Gefühl haben, sich mit anderen vergleichen zu müssen. Manchmal reichen auch fünf Minuten Rückschau auf den Tag, um bewusst schöne Momente des Tages zu würdigen. Eltern empfehle ich außerdem, mal zu experimentieren mit ihren Reaktionen. Im Ärger oder in der Wut dem Kind mal bewusst anders zu begegnen, kann wahnsinnig viel bringen.

Wie sehr unterscheiden sich die Probleme von Kindern und Jugendlichen?

Der Stress nimmt zu, je älter die Kinder werden. Unser System ist einfach so, du musst funktionieren. Wenn du Liebeskummer hast und einen Tag mal nicht lernen kannst, interessiert das keinen. Es ist aber schlicht nicht möglich, immer gleich zu liefern. Die Jüngeren kämpfen mit den Hausaufgaben, die Älteren mit dem zunehmenden Druck.

„Mein wichtigster Ratschlag
für Kinder: Vertraue dir
selbst. Du bist richtig,
so wie du bist!“

Hat die Corona-Pandemie die Situation verschärft?

Ich denke, die Probleme waren vorher schon da, die Pandemie hat sie nur deutlich gemacht. Vor allem aber hat die Pandemie gezeigt, wie wichtig Schule als Lebensraum für Kinder und Jugendliche ist – nicht nur als Lernraum.

Mit welchen Methoden schaffen Sie es, Hilfestellung zu geben?

Ein Bereich bei den Älteren ist die Gedankensteuerung. Gedanken widerfahren uns nicht nur, wir können mit Mentaltechniken lernen, sie zu lenken. Glaubenssätze können so verändert werden. Den Jüngeren gebe ich bestimmte Atemtechniken, Körperpositionen oder andere Werkzeuge an die Hand, mit denen sie in bestimmten Situationen selbstwirksam agieren können. Dem einen hilft die Power-Position oder Superman-Pose, die andere beruhigt sich, indem sie in Stresssituationen Akkupunkturpunkte stimuliert. So schaffen es die Kinder aus eigener Kraft aus dem Teufelskreis in den Engelskreis.

Wie lange dauert das?

Die Kinder merken sehr schnell, was funktioniert. Nach drei bis fünf Sitzungen im Schnitt sind die passenden Instrumente gefunden.

Aber mal Hand aufs Herz: Warum können Kinder nicht einfach Kinder sein und müssen jetzt auch noch gecoacht werden?

Es ist anders herum: Wir holen uns diese wertvollen Tipps und Erkenntnisse für unsere Jobs, unseren Sport und unseren Hund, wenn wir nicht weiterkommen – warum sollten wir das den Kindern dann vorenthalten. Dabei geht es gar nicht ums Besserwerden und Optimieren, sondern um den Zugriff auf das vorhandene Potenzial. 

Sie sind keine Ärztin oder Therapeutin. Wo endet Ihr Zuständigkeitsbereich?

Alle Kinder mit einer diagnostizierten psychischen Erkrankung gehören in eine Therapie. Ich kann da zur Überbrückung oder Unterstützung in Absprache mit den Therapeuten mitwirken, aber grundsätzlich arbeite ich mit gesunden Kindern. Entweder, weil was schiefläuft – oder vorbeugend, um Methoden parat zu haben, sollten Probleme auftauchen.

Bei welchen Verhaltensweisen ihrer Kinder sollten bei Eltern die Alarmglocken läuten?

Wenn man merkt, dass man nicht mehr in Kontakt mit dem Kind kommt oder sich dieses wahnsinnig zurückzieht. Aber auch, wenn Kinder morgens Angst oder Bauchweh haben oder abends nicht einschlafen können und Eltern trotz ihrer Möglichkeiten nicht weiterkommen, macht es Sinn, sich Hilfe zu holen. Gerade auch im Hinblick auf frühkindliche Reflexe, die womöglich noch nicht abgearbeitet wurden. Diese können mit einem bestimmten Körpertraining integriert werden. Kinder machen nie absichtlich Probleme, sie haben in dem Moment schlicht keine andere Handlungsoption und handeln wie Erwachsene auch nach bestem Wissen und ihren Möglichkeiten.

Ihr wichtigster Ratschlag an Kinder und Jugendliche?

Vertraue dir selbst. Du bist richtig, so wie du bist!

Und an Eltern?

Sei stolz auf dein Kind!

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